Zypern, drittgrößte Insel im Mittelmeer, gelegen zwischen Anatolien, dem Nahen Osten und Ägypten, war durch diese Lage seit jeher eine Station für Handeltreibende und Krieger, die sich zwischen
Europa, Asien und Afrika bewegten. Die griechische Insel wurde 1571 vom Osmanischen Reich annektiert und z.T. türkisch besiedelt. Sie wurde dann 1878 gegen Hilfe im Russlandkrieg an
Großbritannien verpachtet, was zur bis heute (militärisch) andauernden Präsenz der Empire dort führte. Das Zusammenleben der Griechen und Türken kann bis zum Aufkommen der nationalistischen
Tendenzen im 20. Jahrhundert als ein gegenseitig geduldetes bezeichnet werden. 1955 radikalisierte sich der Widerstand der Griechen gegen die Kolonialmacht Großbritannien, der 1960 zur Gründung
der unabhängigen Republik Zypern führte. Damit verlagerte sich die Spannung jedoch ins Landesinnere, und die ultranationalistischen Terrororganisationen beider Völker strebten jeweils den
Anschluss an Griechenland und die Türkei an. Nach einem Militärputsch der Griechen besetzte die Türkei als Garantiemacht laut Gründungsvertrag nach einer blutig verlaufenden Invasion den
nördlichen Teil des Insels (1974), was zu Flüchtlingsströmen der Griechen von Nord nach Süd und der Türken von Süd nach Nord führte. - Zur Zeit ist die Republik Zypern EU-Mitglied, sie betrachtet
den Nordteil mit der dort gegründeten, international nicht anerkannten türkischen Republik als besetzten Teil ihres Territoriums. Gespräche zu einer Wiedervereinigung führten bis heute zu keinem
Ergebnis.
Unser Verlag auf dem Ruffel erzählt in sechs Büchern aus Zypern die Geschichten nicht nur einiger griechischen und türkischen Zypriotinnen und Zyprioten, sondern auch immer ein
Stück der politischen Geschichte des unruhigen Landes. Marios Michaelides' Roman Östlich
von Antalya, nördlich von Nikosia beginnt mit der Flucht (s)einer Großmutter aus Anatolien, begleitet die Eskalation des Nationalismus und endet mit der türkischen Invasion 1974.
Panos Ioannides berichtet in zwei Romanen (Ko'asinos und Amerika '62) von seiner Kindheit, Jugend und dem Beginn der Unabhängigkeitsbewegung auf Zypern sowie von einer USA-Reise, die ihn u.a. mit einem türkischen Kollegen und
u.a. einem terrorgeschädigten Verwandten zusammenbringt. Farbe des Meeres stellt Erzählungen türkischer Autorinnen
und Autoren aus Zypern in einer von Wolfgang Scharlipp zusammengestellten, übersetzten und kommentierten Sammlung vor. Eine Auswahl aus dem umfassenden Werk von Mehmet
Yashin liefert der zweisprachige Band Istanbul wartet auf niemanden
mehr, und eine weitere zweisprachige Sammlung von Gedichten aus Zypern erscheint im Frühjahr 2024: Neşe Yaşıns Ein
Schreibheft aus Feuer.